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Gips - facettenreich in Ausprägung und Verwendung

Voraussichtlich im Jahr 2038 werden in Deutschland die letzten Braunkohlekraftwerke abgeschaltet! Was hat das mit dem Gestein des Jahres 2022 zu tun? Gips wird nicht nur aus den natürlichen Gipsvorkommen gewonnen, sondern als Nebenprodukt auch aus der Entschwefelung von Rauchgasen in Kohlekraftwerken (REA = Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen). Bei der Rauchgasentschwefelung werden die SO2-Emissionen reduziert und ein qualitativ hochwertiger REA-Gips produziert, der etwa die Hälfte des Gipsbedarfes in Deutschland deckt. Das Kuratorium unter Federführung des BDG hat Gips aufgrund dieser Aktualität zum Gestein des Jahres 2022 ernannt.

Gips ist ein Rohstoff, der aus unserem täglichen Leben kaum wegzudenken ist. Gips wird durch Abbau, aber auch aus der Rauchgasentschwefelung bei der Braunkohleverstromung gewonnen. Gips ist Ausgangsgestein von Geotopen von herausragender Bedeutung. Auf Gipssubstraten bilden sich artenreiche Biotope von besonderer Schönheit. Gips wird auch aus der Rauchgasentschwefelung bei der Braunkohleverstromung gewonnen.

Bildung und Vorkommen

Gips (CaSO4 x 2 H2O)  ist ein Mineral, das sich durch einen großen Formenreichtum auszeichnet Für monomineralische Gesteine dieser Zusammensetzung werden landläufig die gleichen Bezeichnungen verwendet. Korrekterweise sollten eigentlich die Begriffe „Gipsstein“ und „Anhydritstein“ benutzt werden. Gips enthält Kristallwasser, wohingegen der Anhydrit die kristallwasserfreie Ausbildung ist, im Griechischen bedeutet anhydros „ohne Wasser“. Gips entsteht durch Ausfällung in tropischen Flachmeeren. In Abhängigkeit der Löslichkeit der Salze fallen mit Erhöhung des Salzgehaltes, der Salinität, zuerst Karbonate, dann Sulfate und zuletzt Chloride aus. Auch in Binnenseen kann es unter aridem Klimaeinfluss verdunstungsbedingt zu einer Zunahme der Salinität des Wassers kommen.

Primärer Gipsschlamm verfestigt sich während und nach der Ausfällung  zu Gipsstein. Durch zunehmende Überdeckung kommt es zur Entwässerung und der Bildung von Anhydritstein. Die Ausbildung ist meist feinkörnig und massig, wobei Gipsstein eine eher weiße bis braun-graue Farbe aufweist, der Anhydritstein zu weißgrauen, auch bläulichen oder rötlichen Farben tendiert. Sehr markante Gefügebilder können durch Fremdeinlagerungen, wie z. B. tonig-bituminöse Bestandteile oder Karbonate entstehen. Gipsstein ist etwas weicher und lässt sich mit dem Fingernagel ritzen, Anhydrit dagegen nur mit dem Messer. Aufgrund der guten Wasserlöslichkeit kommt es in Sulfatgesteinen wie bei den Karbonaten zur Subrosion und zur Karstbildung. Häufig tritt Subrosion auf, wobei sich Höhlen, Erdfälle, Dolinen und Schlotten bilden.

Ausgangsgestein artenreicher Geotope

Als Rohstoffe nutzbare Sulfatgesteine kommen in Deutschland überwiegend in der Zechstein-Zeit vor, darüber hinaus auch im Oberen Buntsandstein, im Mittleren Muschelkalk und in verschiedenen Keuperlagen. In Deutschland gab es im Jahr 2020 in Hessen, Thüringen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg in 82 Gewinnungsstellen aktiven Gipsabbau.

Gips und Anhydrit sind aber auch Ausgangsgesteine zahlreicher Geotope. Die Sperenberger Gipsbrüche bei Zossen, südlich von Berlin, die „Nationales Geotop“ sind, wurden durch einen mächtigen Salzdiapir an die Oberfläche gebracht. Mehrere wassererfüllte Restlöcher zeugen von dem bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden Bergbau. Hier wurde im Jahre 1871 an der seinerzeit tiefsten Bohrung der Welt eine Temperaturzunahme von 1 K je 33 m bis in 1271,6 m Tiefe gemessen. Es ist damit die Typlokalität der geothermischen Tiefenstufe.

Die Gipskarstlandschaft Südharz erstreckt sich als schmaler Gürtel über die Länder Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Magerrasen, Kalkbuchenwälder, Gipssteilhänge, Felsfluren, Quellsümpfe, wassergefüllte Erdfälle, Bachauenwälder, um nur einige zu nennen, bilden unterschiedlichste und artenreiche Lebensräume. In spektakulärer Weise hängen in der Barbarossahöhle am Kyffhäuser in Thüringen große Lappen von Anhydrit von Decken und Wänden.

Etwas weiter muss man reisen, um ausgedehnte Dünen aus feinkörnigem Gips zu bewundern. Das White Sands National Monument im amerikanischen Bundesstaat New Mexico ist ein ca. 700 km² großes Naturschutzgebiet im Tularosa-Becken und durch Gipsdünen geprägt.

Verwendung

Gips als Rohstoff

Gips ist ein seit Jahrtausenden bekannter Baustoff. So wurde nachgewiesen, dass Als gesichert gelten 9.000 Jahre alte Gipsputze in der Stadt Çatalhöyük in Anatolien. Vor 4.500 Jahren wurde beim Bau der Cheopspyramide und der Sphinx von Gizeh bereits Gipsmörtel verarbeitet. Beeindruckende Beispiele für die hervorragende Formgebung von Gips sind die Stuckarbeiten des Barock.

Gips und Anhydrit sind in erster Linie Baustoffe mit hervorragenden Eigenschaften, welche die weitreichende Verbreitung begründen. Genutzt wird Gips für Baugipse, Gipsplatten sowie Fließestriche, aber auch in der Pharmaindustrie, der Düngemittelindustrie, bei der Farben-, Papier-, Kunststoff- und Kosmetikherstellung sowie in der Lebensmittelindustrie und der Landwirtschaft.

Als Alabaster sind Gips- und Anhydritsteine bekannt, die als Dekorsteine verwendet werden.

Gips wird nicht nur aus den natürlichen Gipsvorkommen gewonnen, sondern auch aus der Entschwefelung von Rauchgasen von Kohlekraftwerken, als Nebenprodukt (REA = Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen). Bei der Rauchgasentschwefelung werden die SO2-Emissionen reduziert und ein qualitativ hochwertiger REA-Gips produziert, der etwa die Hälfte des Gipsbedarfes in Deutschland deckt. Nach der Schließung der letzten Braunkohlenkraftwerke, spätestens im Jahr 2038, wird man nur einen Teil des Verlustes durch zunehmende Recyclingmengen kompensieren können.

Gips in Notzeiten: das Himmelsmehl

Ein mehlartiges Gips-Verwitterungsprodukt, welches im Volksmund auch als „Himmelsmehl" oder „Gipsasche" bezeichnet wird, ist aus dem Südharz beschrieben. In Notzeiten wurde es als vermeintliches Geschenk Gottes gesammelt und entweder wie Mehl verbacken oder zum Strecken echten Mehls genutzt. Beim Backen wurde der Gips gebrannt und konnte in Magen oder Darm abbinden, wodurch es wiederholt zu Darmverschlüssen mit Todesfolge kam.

Dekor- und Bildhauerstein: Altartafeln und Grabmäler aus Alabaster

Massive und dekorative Gips- und Anhydritsteine wurden in den Regionen ihres Vorkommens vor allem in der Vergangenheit gern für Dekorobjekte und Bildhauerarbeiten genutzt und meist als Alabaster bezeichnet. Alabaster ist ein Gestein, welches aus der mikrokristallinen Varietät des Minerals Gips, mitunter auch mit Anteilen von Anhydrit, besteht. Es ist sehr leicht zu bearbeiten, lässt sich jedoch nicht so einfach und hochglänzend polieren wie Marmor.

Zu den berühmten Alabaster-Vorkommen zählen jenes in Volterra in Italien sowie in England in den Midlands. Letzteres zeichnete sich durch ein weißes, marmorartiges Aussehen und das Vorkommen relativ großer Blöcke aus. Es wurde seit dem späten Mittelalter bis Ende des 19. Jahrhunderts in merklichen Mengen, auch schon als fertige Produkte in Form von Grabmälern, Altartafeln, Statuen und Statuetten, über den Seeweg nach Frankreich, Holland sowie in den Ostseeraum exportiert. So finden wir in den Kirchen Norddeutschlands häufig Figurenschmuck aus englischem Alabaster, wie z. B. das Herzog-Ulrich-Epitaph aus dem 16. Jh. im Güstrower Dom.

Auch in den Regionen der deutschen Alabastervorkommen sind in repräsentativen Gebäuden und Kirchen häufig Bauteile wie Gewände, Treppen, Fußboden- und Wandplatten, aber vor allem Bildhauerarbeiten und kleine Dekorobjekte, aus einheimischem Alabaster zu bewundern. Als bedeutende Beispielregion sei der Südharz genannt. Auf Grund seiner hohen Löslichkeit und damit Witterungsanfälligkeit sind Alabaster-Objekte meist in Innenräumen zu finden. Eine der wenigen Ausnahmen ist das Grabmal „Geflügelter Tod“ vor der St. Johanneskirche in Halberstadt.

Dünn geschnitten ist Alabaster sehr lichtdurchlässig und wird daher im Kunsthandwerk gerne für Lampenschalen verwendet. In trockenen Gegenden, wie beispielsweise Zentralspanien, hat auch die Verwendung als Kirchenfenster Tradition.

 

Autor: Dr. Manuel Lapp, Sprecher des Fachkuratoriums "Gestein des Jahres"

 

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